Ein Bericht über Iwan Kulizhnikov und seine Arbeit ist in deutschlands einziger Zeitschrift über Gewichtheben erschienen.
Iwan Kulischnikov ein
Porträt
Seit 2004 lebt und
trainiert Iwan Kulischnikov junge Gewichtheber in Hamburg. Es hat
gedauert bis er in seiner neuen Heimat um sich herum eine
eingeschworene Sportlergemeinschaft bilden konnte. Mittlerweile sind
in seiner Sparte um die 40 aktive Mitglieder gemeldet. Erstaunlich
dabei ist die Größe des Trainingsraumes – ca. 40 m², voll
gestellt mit Trainingsgeräten. Davon nehmen ca. 20 m² zwei
Gewichtheberbohlen ein. Gleichzeitig können darauf nur 2 bis 4
Personen mit den Langhanteln trainieren. Das Training für alle
Sportler wäre gleichzeitig unmöglich. Deswegen muss der
Trainingsablauf streng reguliert werden. Aufgeteilt in kleineren
Gruppen kommen die Sportler zu bestimmten Zeiten, die zwischen 13 und
22 Uhr verteilt sind. Trotzdem quetschen sich zu den Stoßzeiten mehr
als 10 Personen in den engen Raum.
Iwan selbst kam zum
Gewichtheben über das Buch „Die drei Iwans", in dem es sich um
die russische Ringer und Kraftartisten handelte. Inspiriert von der
Kraft und Edelmut der Recken, begann Ivan 1964 zu trainieren. Es gab
damals aber weder Fitnessstudios noch Gewichthebervereine in der
Region. Sein ganzes Eisenarsenal musste er sich selbst beschaffen
oder basteln.
Iwan wird erfolgreich und
als er eingezogen wird, kommt er in eine Gewichtheber-Sportkompanie,
zusammen mit David Rigert, dem heutigen Cheftrainer der russischen
Nationalmannschaft. Kurz vor dem Ende der Dienstzeit werden die
beiden von Rudolf Pflugfelder bemustert und auf seine Sportbasis
eingeladen. Pflugfelder war damals der führende Trainer der
Sowjetunion. Iwan sagt aus familiären und persönlichen Gründen
zwar ab, steht aber bis heute mit Pflugfelder, der jetzt bei Kassel
lebt in einem engen Kontakt.
Als Autodidakt trainiert
Iwan weiter. Er steigt zu den besten der UdSSR auf, wird mehrfacher
russischer und Sowjetischer Meister. 1974 passierte leider ein
Unglück. Bei einem Wettkampf fallen 190 Kilo auf sein Knie. Seitdem
ist es an aktives Gewichtheben nicht mehr zu denken. Aus Liebe zum
Sport wird Iwan Trainer. In der Zeit absolviert er Syktiwkarer
Fachhochschule in der Fachrichtung Geschichte und arbeitet an einer
Berufsschule. Selbstlos und ehrgeizig baut Iwan das Gewichtheben in
Syktiwkar auf. Sehr schnell werden Syktiwkarer Gewichtheber zum
Stichwort in der ganzen Sowjetunion. Bis zu den internationalen
Wettkämpfen schaffen seine Schützlinge. Durch seine Erfolge wird er
zu stellvertretendem Leiter der hiesigen Sportschule befördert.
Nach dem Zerfall der
Sowjetunion, macht ihm aber die heimische Politik einen Strich durch
die Rechnung. Iwan wird aus dem Sport verdrängt. Die finanzielle
Mitteln werden gestrichen. Viele wollten an seine Erfolge anknüpfen
und sich dabei bereichern. Nach langem Überlegen willigte er
enttäuscht seiner Frau die Ausreise nach Hamburg zu ihrer Familie
ein. Schweren Herzens hinterlässt er sein Lebenswerk.
Nach Deutschland kommt
Iwan bereits seit Ende der 70er regelmäßig. Seine Schwiegereltern
waren gebürtige Hamburger und kamen durch die Kriegsgefangenschaft
nach Sibirien.
Seit damals gibt es auch
feste Kontakte zum deutschen Gewichtheben. Schon damals trainierte
Iwan deutsche Jugendliche und seine Schützlinge haben bis in die 1.
Bundesliga geschafft. Auch einige deutsche Gewichtheber waren in
Syktiwkar in Iwans Trainingslager.
Der Neuanfang in Hamburg
war dennoch nicht leicht. Angekommen, meldet er sich in einem
vereinseigenen Fitnessstudio an und trainiert hauptsächlich
Aussiedler-Jungs. Er macht das umsonst, in seiner Freizeit. Viele
halten ihn für verrückt, bis seine Jungs bei der
Europameisterschaft im Bankdrücken Meister wurden. Die
Vereinsführung wird aufmerksam und organisiert einen Trainingsraum
in der Sporthalle der Quellmoor Grundschule. In den kleinen Raum
kommen Politiker, Integrationsbeauftragte, Zeitungs- und TV-Reporter.
In der Berichterstattung
wird er aber kaum erwähnt, denn offiziell ist Iwan im Verein gar
nicht als Trainer gemeldet. Iwan will sich aber auch selbst nicht in
den Vordergrund stellen. In erster Linie geht es ihm um Sport und um
seine Jungs. Sein Ziel ist, sie mal ganz groß herauszubringen. Und
das ist nicht einfach auf 20 m²
mit kaum Luft zum Atmen. Gerne würde er noch mehr Jungs und
Mädchen aufnehmen. Sogar ein Rollstuhlfahrer würde zum Training
kommen, dessen behinderter Zwillingsbruder von Iwan trainiert wird
und ohne Iwan auch an das Rollstuhl gefesselt wäre. Leider gibt es
keinen Platz dafür. Auch zu den Wettkämpfen würde er gern alle
mitnehmen. Es fehlt aber an Geld für Starbücher, geschweige
Fahrtgeld. Trotz Mitgliedsbeiträgen von bis zu 26,- Euro im Monat,
fehlt es an Hanteln und Scheiben. Durch kleine Spende konnten seine
Jungs erst vor kurzem für sich einheitliche Anzüge organisieren.
Dennoch ist Iwan
optimistisch und zufrieden mit seiner Arbeit. Man sieht immer öfter
seine Jungs bei den Wettkämpfen, die sich langsam aber sicher vom
Wettkampf zu Wettkampf verbessern. Iwans Jahrzehnte lange Erfahrungen
als Athlet und Trainer werden ihnen sicher dabei helfen, viele
Hochleistungen zu vollbringen.
„Sport prüft den
Menschen auf Standhaftigkeit und formt seine Persönlichkeit.
Reichtum und Ruhm interessieren mich wenig. Jeder hat seine Aufgabe
im Leben, meine ist Gewichtheben." – sagt Iwan zum Schluss.
Roman Bossauer